Wie das Statistische Bundesamt berichtet, stiegen im 1. Quartal 2016 die Baugenehmigungen für Wohnraum in Deutschland deutlich an. Fast 30% mehr als vor einem Jahr. 85.000 neue Wohnungen! Super! Der Wohnungsmarkt kann aufatmen. Die 770.000 fehlenden Wohnungen in unseren Ballungszentren sind bald gebaut. Denkt man zumindest beim ersten,flüchtigen Lesen.
Kleines Problem nur …
- Womit vergleichen wir uns hier gerade?
- Wo werden diese Baugenehmigungen erteilt (und damit die Wohnungen gebaut)?
Womit vergleichen wir uns gerade eigentlich?
Ja, gegenüber dem Jahresanfang 2015 ist es ein dickes Plus. Die Politik kann jubeln (ein Jahreshorizont entspricht so ungefähr der maximalen Denk-Reichweite eines Politiker (es sei denn, es ist ein Wahljahr).
Scrollt man auf der Seite des Statistischen Bundesamtes aber mal kurz nach unten, stellt man fest, dass 2003 und 2004 jeweils knapp 90.000 Wohnungen genehmigt wurden. Und damals sprach niemand von einem Bauboom! Das war damals noch ganz normal (bzw. in der Zeit davor, haben wir viel mehr gebaut!).
Wir vergleichen die aktuellen Zahlen der Baugenehmigungen mit der Zeit des wohnungspolitischen Winterschlafes während der Finanz- und Eurokrise. Mit einer Zeit, in der alle davon ausgegangen sind, dass Deutschland ausstirbt (wir nur noch letztmalig altengerecht umbauen müssen).
Alles unter 100.000 Baugenehmigungen pro Quartal deckt nicht einmal den neuen Bedarf ab, der durch strukturellen Zuzug nach Deutschland in einem Quartal aktuell entsteht. Vom Abbau der Wohnungsnot ganz zu schweigen!
Wo werden diese Baugenehmigungen erteilt?
Noch spannender wird es, wenn man sich anschaut was (und damit auch) wo gebaut wird.
- +100% bei Wohnheimen (und damit nur Transitzonen für Flüchtlinge, die aber mittelfristig auch auf den echten Wohnungsmarkt in den Ballungszentren streben)
- +27% bei Zweifamilienhäusern und +23% bei Einfamilienhäuser (Bautypen, die gewöhnlich gerade NICHT in Ballungszentren entstehen!) und nur
- +24% bei Mehrfamilienhäusern (mit unbekannter Verteilung auf Unterzentren und Ballungszentren)
Es ist schön für die Dörfer im Südwesten und Nordosten (bei meinen Eltern im Dorf in Baden-Württemberg entsteht gerade auch ein großes neues Baugebiet und so kommt endlich schnelles Internet in den Schwarzwald), aber wird dort der Wohnraum wirklich dauerhaft gebaucht?
Zumindest in der Tendenz kann man sicher sagen, dass das „Wachstum“ (die Wiederbelebung des tiefschlafenden Wohnungsbaumarktes) unterproportional gerade nicht genau dort stattfinden, wo die Wohnungsnot am größten ist. Wo die Wanderungsbewegung hin geht!
Und wenn ich dann lese, dass die Politiker mit vor Stolz geschwollener Brust dem Wahlvolk versprechen, dass bis 2021 352.000 Mietwohnungen errichtet werden (bei einem Defizit von 770.000 Wohnungen in den Ballungszentren per 31.12.2015), raufe ich mir am Ende doch wieder die Haare!